
In Berlin wird um die Milliarden gefeilscht, und viele fragen sich: Was passiert jetzt mit dem ganzen Geld, wird es gut und gerecht verteilt?
Wir haben mit einem Experten gesprochen, der gerade mit der Bundesregierung am Tisch sitzt: Niklas Potrafke. Das Know-how unseres Referenten ist auf höchster bundespolitischer Ebene gefragt, ist er doch einer der führenden Finanzforscher unseres Landes. Zunächst blicken wir mit ihm auf die neue Zollpolitik aus Washington.
Professor Potrafke, wirkt sich die Trump’sche Zollfixierung beziehungsweise der ausgehandelte Zollkompromiss mit der EU bereits auf die deutsche Wirtschaft aus?
Die deutsche Wirtschaft ist exportorientiert. Durch die US-Zölle werden unmittelbar Exporte in die USA teurer. Umfrageergebnisse aus dem Juni zeigen, dass mehr als 60 Prozent der vom ifo Institut befragten Unternehmen mit negativen Effekten rechneten. Insbesondere die exportorientierten Maschinenbauunternehmen sind davon betroffen. Darüber hinaus gehen ebenso knapp 60 Prozent der befragten Unternehmen von einem höheren Wettbewerbsdruck durch chinesische Unternehmen aus, die wiederum auf die US-Handelspolitik reagieren. Dies sind vor allem Unternehmen im Bereich der Herstellung elektrischer Ausrüstungen, der Bekleidungsindustrie sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung. Wie sich der Zollkompromiss mit der EU nun auf die Einschätzungen der Unternehmen auswirkt, wissen wir aktuell noch nicht.
Auf welche Belastungen müssen sich die Unternehmen hier zu Lande einstellen?
Ein großes Problem ist die Unsicherheit, die gegenwärtig von den USA ausgeht. Es war zwar zu erwarten, dass Donald Trump nach der gewonnenen Wahl, wie in seiner ersten Amtszeit, wieder protektionistische Handelspolitiken betreiben wird. Aber das Ausmaß der Zölle war doch überraschend. Hinzu kommen Trumps Aussichten auf Deals und das Aussetzen der angekündigten Zölle, was kurzzeitig wieder hoffen lässt. Niemand weiß genau, was er als nächstes tun wird. Eine solche Unsicherheit ist Gift für Unternehmen, denen Planungssicherheit immer wichtig ist. Wie groß die Effekte auf die deutsche Wirtschaft sein werden, schätzen wir gegenwärtig in laufenden Analysen ab. Erste Ergebnisse werden wir Ende Oktober haben.
Die Bundesregierung kündigt eine Vielzahl an Reformen an. Welche davon sind echte Konjunktur-Booster, die das Wirtschaftswachstum auf lange Sicht ankurbeln können?
Um langfristig das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, braucht Deutschland Strukturreformen. Wesentlich ist, auf den demographischen Wandel mit Rentenreformen zu reagieren. Die Bevölkerung wird (zum Glück) immer älter, da müssen wir auch länger arbeiten. Das Renten- und Pensionseintrittsalter muss jetzt umgehend erhöht und ebenso an die Lebenserwartung angepasst werden. Wenn die Menschen ein Jahr älter werden, dann sollten sie acht Monate länger arbeiten und vier Monate den Ruhestand genießen. Ebenso wichtig ist es, das Bürgergeld so zu reformieren, dass sich das Arbeiten in Deutschland wieder lohnt. Die vorgesehenen Senkungen der Körperschaftsteuer sind gut, aber es dauert noch, bis Deutschland davon spürbar profitiert. Perspektivisch werden wir weitere Steuersenkungen brauchen, auch die Einkommensteuerbelastung sollte sinken. Deutschland muss ein attraktiver Wirtschaftsstandort sein, wo Unternehmen mit Begeisterung investieren wollen. Und wo Menschen mit Freude arbeiten.
Zu Ihren Spezialgebieten zählen das Sondervermögen und die gelockerte Schuldenbremse. In welchen Feldern sähen Sie das viele Geld besonders gut investiert – und wo droht Geldverschwendung?
Wichtig ist, die Mittel aus dem Sondervermögen für Infrastruktur für zusätzliche Investitionsvorhaben zu verwenden, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Dazu zählen beispielsweise Straßen und Brücken, Theater und Sportplätze aber nicht. Zusätzlich bedeutet, dass es neue Vorhaben sein sollen, also solche, die nicht bereits im Kernhaushalt veranschlagt werden. Wenn mit den neuen Schulden aus den Sondervermögen bereits bestehende Projekte aus dem Kernhaushalt finanziert werden würden, dann würden Mittel im Kernhaushalt für neue Vorhaben frei, die meist eben keine Investitionen sind. So soll es nicht sein. Da Politiker gerne Geld für konsumtive Zwecke – dazu zählen Subventionen an Unternehmen und vor allem Steuerzuschüsse in die Sozialversicherungen – ausgeben, besteht die Gefahr, dass nun mit neuen Schulden der Sozialstaat ausgebaut wird.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Niklas Potrafke leitet das ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie und ist Professor für Finanzwissenschaft an der LMU München. Die Politik berät er zu Fragen der Finanzpolitik im Rahmen von Projekten für das Bundesfinanzministerium und die Landesministerien. Als Sachverständiger wird er zu Anhörungen im Deutschen Bundestag und den Landtagen geladen.
Wenn Sie Niklas Potrafke für Ihre Veranstaltung als Redner anfragen möchten, rufen Sie uns an unter +49 89 5472619-0 oder mailen Sie uns.
Das Interview führte Katja Volkmer, freie Redakteurin und Mitarbeiterin der Econ Referenten-Agentur.

Auf dieses Thema gibt es noch keine Reaktionen