Populismus ist kein neues Phänomen. Aber er hat in den letzten Jahren enormen Aufwind bekommen. Was sind die Ursachen und was kann man dagegen tun? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Prof. Dr. Paul Nolte in seinem Vortrag auf dem Verbandstag des VdW Bayern.
Schwungvoll und mitreißend geht Paul Nolte sein Thema „Kapitalismus- oder Kulturkrise – Woher kommt der neue Populismus?“ an, klar strukturiert beleuchtet er dessen verschiedene Facetten. Paul Nolte stellt in seinem Vortrag eine Menge Fragen und zeigt auf, dass und wieso es keine eindeutigen Antworten gibt.
Populismus ist vielschichtig, hat aber einen zentralen Kern: Anti-Pluralismus. Populisten leugnen die Vielfalt möglicher Auffassungen in unserer unübersichtlichen und entgrenzten Welt. Sie behaupten einen einheitlichen Volkswillen, der von den Eliten angeblich missachtet wird.
Populismus als Angst vor einer entfesselten und entgrenzten Welt
Auch die Ursachen des neuen Populismus sind vielfältig, so Nolte. Seit den 60er/70er Jahren erleben wir einen enormen Modernisierungsschub. Die klassischen Parteiensysteme mit ihren Wählermilieus lösen sich auf, die bipolare Welt des Kalten Krieges existiert nicht mehr. Die Globalisierung führt zur De-Industrialisierung ganzer Regionen, die soziale Ungleichheit nimmt zu. Doch Populismus nur als Phänomen der Ärmsten und Abgehängten zu sehen, wäre zu kurz gedacht. Angezogen fühlt sich zum Beispiel auch die untere Mittelschicht aus Angst vor dem sozialen Abstieg.
Populismus als Protest gegen kulturelle Modernisierung und gesellschaftliche Liberalisierung
Populismus hat viele Gesichter: Er wendet sich gegen Einwanderung und Multikulturalität ebenso wie gegen den Wandel der Geschlechterrollen, den Kapitalismus oder die ökologische Wende moderner Gesellschaften („Klimalüge“). Für Paul Nolte drückt sich darin die Sehnsucht nach der guten alten Zeit aus.
Komplexe Zusammenhänge müssen streitbar bleiben
Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Was also tun? Paul Nolte spricht sich dafür aus, das Vertrauen in die Wirklichkeit zu stärken und zugleich unsere komplizierte, manchmal paradoxe, uneindeutige Welt zu verteidigen und zu erklären. Er plädiert für eine aktive Sozialpolitik und beendet seine Ausführungen mit einem Appell an die Zuhörer, populistische Äußerungen nicht einfach hinzunehmen, sondern sie zu hinterfragen und durch Diskussion zu entkräften.
Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der FU Berlin und verbringt derzeit als Richard-von Weizsäcker-Fellow ein Gastjahr am St. Antony’s College der Universität Oxford. Noch bis Ende Juni forscht er dort zum Thema Demokratie. Hierzu sind auch zwei populärwissenschaftliche Bücher erschienen, zuletzt Die 101 wichtigsten Fragen: Demokratie.
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