2013 August 28

Interviews

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Anselm Bilgri und was „I have a dream“ mit „Ora et labora“ zu tun hat

von Barbara Boesmiller

Sie gilt als ein Meisterwerk nicht nur der politischen Rhetorik: Die Rede „I have a dream“ von Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington. Sein Einsatz und nicht zuletzt diese Rede vor genau 50 Jahren halfen wesentlich mit, die Rassentrennung in den USA zu Fall zu bringen. Dabei ist nicht nur der Inhalt, sondern vor allem auch der Aufbau der Rede bemerkenswert. Im Grunde hielt Martin Luther King eine methodistische Predigt, gespickt mit Exzerpten aus der Bibel. Heute scheint es schwer vorstellbar, dass eine solch religiöse, stark emotionale Rede eine ganze Nation so tief bewegt und zum Umdenken bringt. Wir haben bei unserem Redner Anselm Bilgri nachgefragt…

Anselm Bilgri, können Sie sich vorstellen, dass in Deutschland eine Predigt ein solches Echo findet?

In Deutschland, glaube ich, ist ein solcher Erfolg einer öffentlichen Predigt nicht zu erwarten. Man denke nur an die berühmte „Ruckrede“ des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, sie ist leider folgenlos geblieben. Für unsere Mentalität sind gut fundierte und argumentativ überzeugende Reden und Vorträge, durchaus gewürzt mit einem Quäntchen Humor, die erfolgreichere Variante.

Argumente und Humor überzeugen.

Die Menschen sind durchaus offen für philosophische und religiöse Ansätze, sie dürfen aber nicht eifernd missionarisch vorgetragen werden, da wird man leicht misstrauisch. Es geht darum, ihre Praxistauglichkeit für Leben und Arbeiten darzustellen. Oft gibt es dann einen Aha-Effekt nach dem Motto: „Das kenne ich doch schon aus einem anderen Zusammenhang.“ Das verstärkt dann die Chancen, darüber nachzudenken und das eine oder andere ins eigene Handeln zu übernehmen.

Sie übertragen als Experte für werteorientierte Unternehmensführung auch Grundsätze aus Glauben und Philosphie auf die tägliche Arbeit in Unternehmen. Was ist dabei für Sie das wichtigste Prinzip?

Wie gesagt, wir fragen nach dem Nutzen für unser Tun und Handeln, nach dem „Was bringt mir das?“ Die Menschen der Antike fragten nach den Bedingungen für Glück, wir würden heute sagen, für ein gelingendes, erfülltes Leben. Dazu gehört auch eine gute Balance von Arbeit und Privatsphäre, der Wechsel von Anspannung und Entspannung. Die Alten kannten diesen notwendigen Spannungsbogen unter dem Begriff der Muße.

Wir brauchen wieder Muße und langfristiges Denken.

Das wirkmächtigste Führungshandbuch des Abendlandes, die Benediktsregel, fasst diese Weisheit zusammen mit dem Motto: „ora et labora – bete und arbeite“. Man muss das nur für moderne Ohren hilfreich übersetzen, dann wird ihre tiefe psychologische Weisheit sichtbar. Im Wirtschaftsleben ist heute nichts dringender, als vom kurzfristigen Erfolgsdenken wegzukommen und wieder auf den dauerhaften, langfristigen Erfolg zu setzen. Dabei helfen Werte, die aber für uns Heutige verständlich und lebbar sein müssen.

Und was wäre Ihr ganz persönlicher politischer oder gesellschaftlicher Traum?

Ich träume von einer globalisierten Welt, die sich auf einige wenige Werte stützt, die in allen Kulturen vorhanden sind. Es geht doch darum, vertrauensvoll miteinander zu leben und zu wirtschaften. Es gibt einen solchen Grundsatz, der in allen religiösen und kulturellen Traditionen vorhanden ist, ein ganz simples und doch offenbar schwierig umzusetzendes Prinzip, die sogenannte Goldene Regel: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“.

Das kommt bei den Philosophen der Antike genauso vor wie in der Bibel, dem Koran und bei Immanuel Kant. Wir müssen es nur tun. Dann werden wir merken, dass dies nachhaltig zu einem Leben in Balance mit sich und anderen führt und damit Erfolg generiert.

 

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