2013 Juli 08

Interviews

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Hubert Schwarz über eine Tour ohne Doping und Rennen, in denen jeder ein Sieger ist

von Barbara Boesmiller

Sie fahren wieder, die Teilnehmer der Tour de France. Zum 100. Mal wird das wichtigste Etappenradrennen der Welt dieses Jahr ausgetragen, doch die Dopingenthüllungen der letzten Zeit haben vielen Radsportfans die Lust an dem Spektakel gründlich verdorben. Ob und wie es überhaupt möglich ist, solch eine extreme sportliche Herausforderung zu meistern, das kann unser Redner Hubert Schwarz beurteilen. Der Extremsportler und Radmarathonspezialist ist gerade aus den USA zurückgekommen, wo er zum dritten Mal erfolgreich das Race Across America – kurz RAAM – gemeistert hat, den härtesten Radmarathon der Welt.

Hubert Schwarz, kann man die Tour de France und das RAAM eigentlich vergleichen? Welches ist die größere Herausforderung?

Man kann die Tour de France und das RAAM natürlich vergleichen. Dann wird man feststellen, dass beide Veranstaltungen wenig gemein haben. Die Tour ist das extremste Etappenrennen, das RAAM der wohl extremste Radmarathon, der in nur einer Etappe gefahren wird, die immerhin knapp 5000 km lang ist. Daraus ergeben sich vollkommen unterschiedliche sportliche Herausforderungen. Um es kurz zu machen: Die Tour wird mit den Beinen, das RAAM im Kopf entschieden. Bei einem Ultramarathon muss natürlich die Grundphysis stimmen, aber das Ziel wird man nur erreichen, wenn man sich mental immer wieder überwinden kann, der Müdigkeit und der nicht enden wollenden langen Distanz zu trotzen.

„Die Tour wird mit den Beinen, das RAAM im Kopf entschieden.“

Noch ein fundamentaler Unterschied: Beim RAAM geht es im Gegensatz zur Tour nicht ums Geld. Es sind überwiegend Amateure am Start. Jeder, der ankommt, ist beim RAAM ein Sieger. Man kämpft gegen den eigenen inneren Schweinhund und weniger gegen andere. Ich bin beim RAAM vereinzelt gegen (europäische) Radprofis gefahren. Die waren physisch bärenstark und extrem schnell im Sattel, sind aber an der mentalen Herausforderung des RAAM gescheitert. Umgekehrt hätte ich bei der Tour keine Chance gehabt, vorne mitzufahren – aber aufgegeben hätte ich nie!

Nach all den Doping-Enthüllungen der letzten Monate und Jahre mag man gar nicht mehr glauben, dass ein Rennen wie die Tour ohne solche illegalen Mittel zu meistern ist. Halten Sie es für möglich?

Natürlich ist das möglich. Die einzelnen Etappen der Tour sind ja nicht von Haus aus „unmenschlich“. Bei meiner ersten Weltumrundung habe ich an 80 Tagen hintereinander jeweils rund 300 km bewältigt – als Einzelkämpfer ohne Windschatten und ohne jedes unerlaubte leistungsteigernde Mittel. Was die Tour und den Profiradsport insgesamt beschädigt hat, ist nicht die sportliche Herausforderung, sondern das kranke Wettweberbsethos: Uns ist jedes Mittel recht, um an die Pfründe zu gelangen, die zu verteilen sind – Ruhm und Geld.

„Natürlich ist eine Tour ohne Doping möglich“

Doping, also organisierter Betrug, war das vorherrschende Erfolgsprinzip. Als es ruchbar wurde, begann man die Schuld – unter anderem – auf die überharten körperlichen Strapazen zu schieben. Das ist Unfug. Rennen wie die Tour sind auch mit fairen Mitteln zu bestreiten und zu gewinnen – wenn es gelingt, den Doping-Sumpf restlos trocken zu legen. Und auch das ist möglich.

ECON_Redner_Schwarz_Hubert_gelbWas muss sich ihrer Meinung nach ändern, damit der Radsport wieder (?) ein „sauberer“ Sport wird? 

Die Kritiker des Profiradsports lassen nicht locker. Das ist gut so. Denn es braucht zuerst eine wache, kritische Öffentlichkeit und Sponsoren, die konsequent einen sauberen Sport einfordern. Auf die Selbstheilungskräfte des Sports darf man sich wohl nicht verlassen.

Das Motto „Vergessen statt Aufklären“ ist dort weit verbreitet. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber dem Sport hilft es nicht, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Nur das wirkliche Wissen darüber, was schief gelaufen ist und nicht mehr passieren darf, schafft eine Basis für neues Vertrauen und gibt der jungen Generation, die jetzt an den Start geht, eine verlässliche Richtschnur.

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