„Ins Netz gegangen: Mensch und Gesellschaft im digitalen Zeitalter“ – zu diesem Thema hatte der TÜV SÜD unseren Redner Dr. Frank Schirrmacher für seinen Neujahrsempfang nach München eingeladen. In seinem halbstündigen Vortrag gab der Mitherausgeber der FAZ Denkanstöße für den Umgang mit dem Internet. Die Erfindung des Internets sei für den Menschen mindestens so bedeutsam wie die Erfindung von Uhr und Buchdruck zusammen.
Geschickt schlug Frank Schirrmacher gleich zu Beginn seines Vortrags den Bogen zum TÜV SÜD und dessen Ursprüngen: Als es immer mehr Dampfmaschinen gab und diese hin und wieder explodierten, wurde 1866 in Mannheim der Dampfkesselrevisionsverein gegründet, um Mensch und Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen der Technik zu bewahren. Auf die heutige Zeit übertragen regte Schirrmacher in seinem Vortrag zum Nachdenken über die Digitalisierung und ihre Folgen an.
Seine zentrale These drehte sich um den Kontrollverlust, der mit der Allgegenwart des Internets und der grenzenlosen Vernetzung von Informationen einhergeht. Als Beispiel nannte er den Hochfrequenzhandel an den Finanzmärkten, der außerhalb jeglicher menschlicher Kontrolle stattfinde. Dem Finanzmarkt als erstem komplett automatisierten Markt würden weitere folgen. Bei Bloomberg werden z.B. Texte veröffentlicht, die von Computern auf der Basis computergenerierter Daten geschrieben werden. Erst zeitversetzt werden diese Artikel von Menschen überarbeitet.
Auch im Umgang mit Mails und SMS verliert der Mensch leicht die Kontrolle. Weil unser Gehirn auf kurzfristige Belohnung aus ist, lassen wir uns durch eingehende Nachrichten und Informationen permanent ablenken. Studien über Multitasking-Arbeitspätze zufolge dauert es im Schnitt 25 Minuten, bis man nach einer Unterbrechung wieder zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückkehrt. Endemische Vergesslichkeit („Was wollte ich eigentlich gerade tun?“) nennt Schirrmacher das.
Mit weiteren Beispielen belegte Frank Schirrmacher die Verselbständigung des Systems. Er empfahl, diesen Entwicklungen nicht passiv zu folgen, sondern eine Gegenbewegung einzuleiten. In einer von Algorithmen beherrschten Welt sei es besonders wichtig, die menschliche Intuition und Urteilsfähigkeit zu stärken. Und so legte er den Zuhörern nicht nur Gerd Gigerenzers Buch „Bauchentscheidungen“ ans Herz, sondern endete mit dem Appell: „Wir, nicht Google, müssen für die nächste Generation entscheiden, was sie wissen muss“.
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