2014 November 09

Interviews

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Horst Teltschik: Am Tag, als die Mauer fiel

von Barbara Boesmiller

Wissen Sie noch, wo Sie waren, vor 25 Jahren am 9. November? Am Tag, als die Mauer fiel? Ich saß mit meinen Eltern vor dem Fernseher. In den Wochen zuvor war ich auf dem Schulweg täglich an einem Zeltlager für geflohene DDR-Bürger vorbeigefahren. Spannender als solch persönliche Erinnerungen sind natürlich die Erlebnisse derer, die damals die deutsche Politik mitbestimmt haben: Unser Redner Horst Teltschik zum Beispiel, er war Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl. Wir haben mit ihm über seine Erinnerungen gesprochen:

Horst Teltschik, wo waren Sie an diesem historischen Tag?

Ich war in Polen. Bundeskanzler Helmut Kohl war mittags mit einer großen Delegation zu wichtigen Gesprächen nach Warschau geflogen. Polen hatte am 24. August Tadeusz Mazowiecki zum ersten demokratischen Regierungschef innerhalb des Warschauer Paktes gewählt. Mit der Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung, die ich im Auftrag des Bundeskanzlers über Monate verhandelt hatte, sollten die deutsch-polnischen Beziehungen analog der deutsch–französischen Freundschaft neu gestaltet werden.

Wie erfuhren Sie dann, dass die DDR die Mauer geöffnet hatte?

Vor unserer Abreise hatte es nicht den geringsten Hinweis darauf gegeben. Kurz vor dem festlichen Abendessen im Palais Radzivill hatten wir Mitarbeiter uns beim Bundeskanzler versammelt, als uns erste vage Nachrichten über die Ereignisse in Berlin erreichten. Telefonieren nach Deutschland war damals nicht möglich. Über eine mitgebrachte Standleitung stellten wir eine Verbindung zum Lagezentrum im Bundeskanzleramt her. Kanzleramtschef Rudolf Seiters unterrichtete den Bundeskanzler über die sensationelle Pressekonferenz von Schabowski und die Reaktion im Bundestag. Die Abgeordneten hatten sich spontan erhoben und die Nationalhymne gesungen.

Und wie war Ihre Reaktion auf diese Sensation?

Beim Bundeskanzler und bei uns Mitarbeitern löste das erst einmal gemischte Gefühle aus. Die freudige Erregung, die uns alle erfasst hatte, mischte sich mit der Sorge, jetzt vom Ort des Geschehens zu weit weg zu sein. Uns war sofort klar, dass der Besuch in Polen nicht fortgesetzt werden konnte. Andererseits mussten wir natürlich vermeiden, dass ein sofortiger Abbruch der Reise als Affront verstanden wurde. Bundeskanzler Kohl versprach dann, den Besuch so rasch als möglich nachzuholen, was später auch geschah.

Aber gefeiert haben Sie schon, oder?

Doch, natürlich! In der Suite des Bundeskanzlers hatten die Gastgeber eine Flasche Krimsekt kalt gestellt. Ich öffnete sie, und wir stießen auf das wundervolle Ereignis an. Mit meinen Gedanken war ich in diesem Augenblick bei meinen Freunden in Ost-Berlin und in der DDR, mit denen ich seit meiner Schülerzeit eine Brieffreundschaft aufgenommen hatte. Für sie hatte sich die Mauer jetzt geöffnet. Sie sollten endlich frei sein.

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